Ausgewählte Feuilletons 1907-1937
(Herausgegeben und mit einem Nachwort von Peter Payer)
Wien: Löcker Verlag 2020
„Ich kenne meine Vaterstadt genau, aber ich liebe sie.“ Ludwig Hirschfeld (1882-1942) sah sein Verhältnis zu Wien in humoristischer Ambivalenz. Mehr als drei Jahrzehnte lang schrieb er für die „Neue Freie Presse“, kommentierte er in seinen Feuilletons das Alltagsleben der Stadt: von der Jahrhundertwende über die Notzeit des Ersten Weltkriegs bis hin zur Wirtschaftskrise und dem Modernisierungsschub der Zwischenkriegszeit. Dabei war er stets nah an den Menschen. Sein ironisch-satirischer Blick auf ihre Freuden, Sorgen und Nöte bescherte ihm eine wachsende Zahl an LeserInnen. Mit leichter Feder und melancholischem Grundton verband er Unterhaltung mit Tiefgang, hielt er der bürgerlichen Mittelschicht den Spiegel vor, gerade so, dass es ein bisschen wehtat – aber nicht zu viel. Karl Kraus bezeichnete ihn einmal als „mondänen Causeur, der lachend die Wahrheit sagt“.
Aufgund seiner jüdischen Herkunft musste Hirschfeld 1938 nach Frankreich emigrieren. Nach vier Jahren Flucht wurde er interniert, nach Auschwitz deportiert und dort ermordet.
Der Band versammelt rund vierzig der besten Stadt-Feuilletons. Das ausführliche Nachwort informiert über Leben und Werk des heute zu unrecht vergessenen Feuilletonisten.
Inhalt:
Vorwort – Kaiserliches Wien: Fiakerlied in Moll – Konzert für Augen – Anleitung zum Reichwerden – Derbystudie – Besuch bei den Tieren – System Rigi – Semmeringschwärmerei – Die gedankenlose Insel – Der gesetzlich geregelte Hausmeister – Der Stellwagen ins Liebhartstal – Naschmarktelegie – Die letzte Stunde – Wien im Krieg: Der eiserne Sommer – Der Brotkorb – Urlaub auf dem Gänsehäufel – Die Hausherren und die Mieter – Anmeldung in der Sommerfrische – Kulinarischer Ausflug – Der letzte Kaffee – Die besteuerten vier Wände – Verkehrselend – Die Flucht in die Häuslichkeit – Der weiße Fleck – Die Heimkehr der Soldaten – Republikanisches Wien: Bilder vom Tage der Nationalversammlung – Führer durch Wien – Der Klub der Selbstraseure – Alles um eine Krone – Statistik um Mitternacht – Die überwundene Teuerung – Muskulöser Sonntag – Gemüt für alle – Abschied von den Nullen – Verbindung mit Wien – Interview mit einem Eintänzer – Madame nimmt zu – Praterkonjunktur – Wiener Wahlsonntag – Abbau der Worte – Noch immer zu nobel – Herr ohne Beschäftigung – Gruß aus X-Beliebig – Vergehen und Werden – Nachwort: Ludwig Hirschfeld. Humorist und Sonntagschroniqueur. (263 S., 8 Abb.)
Pressestimmen:
Hirschfeld ist mit diesem schmalen Buch ein Denkmal gesetzt, das ihn zwischen Polgar, Friedell, Kuh und Altenberg einreiht (…). Weniger expressiv als Peter Hammerschlag, weniger bitter als Joseph Roth, wesentlich kürzer als Franz Werfel, weniger politisch als Jura Soyfer, weniger rätselhaft als Franz Kafka, wesentlich trockener als Stefan Zweig, weniger elitär als Karl Kraus und bis heute weniger bekannt als Arthur Schnitzler: Falls sich jemand für literarische Entdeckungen interessiert, für den ist Ludwig Hirschfeld ein lohnenswertes Betätigungsfeld, und mit diesem rezenten Band mit einem Querschnitt seiner damaligen journalistischen Veröffentlichungen ist ein Beginn gemacht. (…) Ein kleiner, informativer Aufsatz vom Herausgeber Peter Payer über Hirschfeld und seine persönliche und literarische Entwicklung schließt das Buch ab. (Amazon)
Der Historiker Peter Payer hat eine Sammlung von Texten Ludwig Hirschfelds vorgelegt – vielen Dank dafür! Hirschfeld war ein bekannter und beliebter Journalist, ein Meister des Feuilletons, der feinen Klinge. Seine Texte befassen sich kritisch und ironisch mit seiner Heimatstadt, immer merkt man ihnen die tiefe Zuneigung zu Wien an. (…) Payer und Hirschfeld führen uns in und durch ein vergangenes Wien, in „Die Welt von Gestern“. (www.thalia.at)
Neu zu entdecken: Der Feuilletonist Ludwig Hirschfeld begleitete Wiens Aufstieg zur modernen Metropole. (…) … Hirschfelds unübersehbarer Hang zur Melancholie. Nicht umsonst trägt der Sammelband mit Feuilletons, den der Historiker und Stadtforscher Peter Payer soeben herausgegeben hat, den Titel „Wien in Moll“. Angelehnt ist dieser an jenen des ältesten und ersten von insgesamt 43 Feuilletons, die hier abgedruckt sind – eine ausgesprochen schmale Auswahl, wenn man bedenkt, dass allein die Anzahl der Artikel, die der rastlose Vielschreiber für die Neue Freie Presse verfasste, in die Vierstelligkeit geht. (Falter)
Niemand kennt sich mit Hirschfeld besser aus als Payer, der Wien selbst seit Jahrzehnten mit allen Sinnen durchmisst. (…) In ‚Wien in Moll‘ dominieren Zwischentöne und Nuancen. Da holt Hirschfeld das Alltagsleben der Stadt so fesselnd wie anschaulich auf den Boden. (…) Die Stadt war für Hirschfeld der kleine Ort eines großen Kulturkampfs, in dem Altes auf Neues prallte, moderne Strömungen mit Beharrungskräften wetteiferten. An der notwendigen Begradigung des Zerrbilds von Wien als Walzerdudelmetropole tüftelte Hirschfeld sein Arbeitsleben lang, das Stadtbild war in seinen in wunderlich lockerer Stimmung und lakonischem Witz verfassten Texten durchtränkt von unversöhnlichen Widersprüchen und Brüchen. Dem angestaubten Charme der Kaiserstadt ist Hirschfeld nie erlegen. (profil)
Ein sehr empfehlenswerter Sammelband „Wien in Moll“, der eine Auswahl aus Hirschfelds dreißigjähriger Schreibpraxis präsentiert. (…) Peter Payer, der Herausgeber des neuen Sammelbands, würdigt die Leistung dieses Feuilletonisten. (Wiener Zeitung)
Peter Payer ist mit „Wien in Moll“ ein repräsentativer Querschnitt durch Hirschfelds journalistisches Schaffen gelungen. (Literatur und Kritik)